Das Projekt demogra-fitte Pflege im St. Joseph-Stift

Die Alterung der Gesellschaft bedeutet für Krankenhäuser nicht nur eine steigende Zahl an versorgungs- und pflegebedürftigen Menschen – auch die eigenen medizinischen und pflegerischen Fachkräfte werden älter. Dieser Herausforderung stellt sich das St. Joseph-Stift Bremen (SJS) in einem zukunftsweisenden Projekt mit dem Namen "demogra-fitte Pflege".

Als Projekteinstieg erfolgte 2010 die Erfassung des demographischen IST-Zustandes im Pflegebereich in Form einer vertieften Altersstrukturanalyse. Dabei wurden Alter, Bereiche, Hierarchie, Berufsgruppen, Fehlzeiten, Fort- und Weiterbildung und die regionale Lage auf dem Pflegemarkt erfasst. Die Auswertung ergab, dass in zwölf Jahren ein Drittel der pflegenden Beschäftigten (448 Köpfe) in den Ruhestand geht. Neben dieser Erkenntnis steht für die katholische Klinik fest, dass der Bedarf an Pflege und Gesundheitsversorgung bei steigender Lebenserwartung wachsen wird. Die eigene Belegschaft altert und die Jugend ist weniger motiviert den Pflegeberuf zu ergreifen. Fach-Pflegebereiche sind schon heute schwerer nach zu besetzen. Neben der Alterstrukturanalyse zeigten drei Mitarbeiterbefragungen zu Wissensweitergabe, Schichtdienstgestaltung und mit Über-55-Jährigen folgende Ergebnisse:

  • Hoher Altersdurchschnitt im Bereich Gynäkologie und den Fachpflegebereichen Zentral-OP und Anästhesie
  • In einzelnen Bereichen gibt es hohe Fehlzeiten, in anderen Bereichen kommt es wiederum kaum zu Fehlzeiten
  • Die Fachkräftequote in der Pflege lag bei 98 % Examinierten
  • Bewerbungssituation in der Pflege ist rückläufig
  • Renteneintrittsalter liegt im Durchschnitt bei 60,5 Jahren, woraus resultiert, dass in zehn Jahren ein Drittel der Pflegekräfte das SJS verlässt.

Aus dem frühen Renteneinstiegsalter, der unterschiedlichen Fehlzeitensituation, der hohen Examinierten-Quote und dem regionalen Nachwuchsthema resultierten drei wesentliche Handlungsfelder: Wissensmanagement, Gesundheitsmanagement und Personalstrategie.

Die drei Projektgruppen sind mit Absicht bunt gemischt. Um sich berufsübergreifend und mitarbeiternah den Themen zu nähern, suchen die 23 Projektmitglieder nicht nur positions- und fachübergreifend sondern vor allem altersübergreifend nach Lösungsansätzen. Ziel ist die Förderung einer Unternehmenskultur, in der ein Altern möglich und gewünscht ist. Eine altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung soll ermöglicht werden, die nicht stigmatisiert sondern allen Mitarbeitern zugute kommt.

Wissen sichern und weiter geben
Das gegenseitige voneinander lernen soll besonders unterstützt werden, damit wichtige Erfahrungen nicht verloren gehen und Fachwissen bewahrt wird. Deshalb ist eine wesentliche Aufgabe des Projektteams „Wissensmanagement“ der Aufbau einer Wissensstafette als Instrument zur gezielten Übergabe zwischen berufsjungen und demnächst ausscheidenden Mitarbeitern. Im Fokus stehen dabei die über 55-Jährigen. Zudem werden Rotationsmodelle zwischen Partnerstationen erprobt und eine Checkliste für ungeplante Funktionswechsel in wissensrelevanten Bereichen erstellt. Auch die Steuerung der Qualifizierung ist von wesentlicher Bedeutung. Die interne, stationsbezogene Fort- und Weiterbildung wird praxisnah und alter(n)sgerecht ausgebaut und die eigenen Fachkräfte, Praxisanleiter, Therapeuten und internen Experten gezielt geschult. Länger abwesende Mitarbeitende werden in der Abwesenheitsphase zu Fort- und Weiterbildung eingeladen und erhalten regelhaft Informationen aus der Klinik.

Länger und gesund in der Pflege arbeiten
Einen weiteren Schwerpunkt des Projekts stellt die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements dar. Für die Mitarbeitenden des SJS werden kostengünstige und umfangreiche Kurse als Betriebssport aus den Gesundheitssportbereichen „Allgemeiner Präventionssport“ (z.B. Power-Gymnastik), „Muskel-Skelettsystem“ (Gerätetraining) und „Entspannung und Stressbewältigung“ (Yoga) angeboten. Und um leistungsgewandelten älteren Mitarbeitenden eine Perspektive bieten zu können, wurde ein betriebliches Eingliederungsmanagement eingeführt. Zudem wird an der Optimierung der Arbeitsorganisation und dem Schichtdiensteinsatz gearbeitet. Bestimmende Themen sind Verlässliches Frei, Pausenzeiten und Tandem-Stationen als Springerpool. Langfristig soll dies die Arbeitszufriedenheit erhöhen und die gesundheitlichen Belastungen reduzieren.

Demografie-feste Personalstrategie - den roten Faden für die Zukunft legen
Alle Maßnahmen zur Gewinnung von Auszubildenden kamen auf den Prüfstand. Stationsbezogen werden die Qualifikationsprofile neu definiert und Perspektiven für einen vermehrten Einsatz von Hilfskräften (KPH, Serviceassistenten), spezifischen neuen Berufsfeldern (OTA, ATA) sowie Expertenfunktionen erarbeitet. Zudem wurde eine stationsbezogene Qualifikationsmatrix entwickelt und Arbeitsspitzen ermittelt.
Ein hoher Anteil der ausscheidenden Mitarbeitenden äußerte bereits Interesse an einer Tätigkeit nach der Berentung. Auch hierfür wird die Beratungskompetenz in der Personalabteilung gezielt auf Ü-55-Themen geschult.

Dreimal im Jahr findet mit allen Pflege-Leitungskräften ein Demografiedialog statt. Ziel ist der Transfer der in den Teilprojekten erarbeiteten Themen, die Arbeit an der Haltung sowie die Anpassung der Maßnahmen an die bereichsspezifischen Abläufe. Leitungskräfte lernen sowohl die körperliche als auch organisatorische Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit der Pflegekräfte wahrzunehmen. Ein Personalkonzept zum lebensphasengerechten Arbeiten ist erstellt, das nicht nur Rücksicht auf die gewandelten Bedürfnisse der Älteren nimmt, sondern auch die Bedürfnisse junger Familien berücksichtigt und die Wünsche der Generation Y aufgreift. Die flexible Dienstplangestaltung soll künftig von allen Pflegekräften verstärkt umgesetzt werden. Die Leitungskraft vor Ort behält das Wissen und die Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden im Auge. Dazu ist eine Qualifikationsmatrix entwickelt und ins Mitarbeiterjahresgespräch integriert worden.